Geschichte
Das Gebäude der Allgäuer Genussmanufaktur blickt auf eine lange und bewegte Vergangenheit zurück, stets eng verbunden mit Landwirtschaft, Gastwirtschaft, Brauerei und Branntweinerzeugung.
Erste Erwähnung findet an der Stelle der Allgäuer Genussmanufaktur bereits 1751 ein Anwesen aus Haus, Hof, Stadel und Bräuhaus, welches Johann Martin Müller besitzt. Dokumentiert ist aus dieser Zeit auch, dass Bierbrauer Müller einer von vier oberlandvogteiischen Bierbrauern ist. Daher müssen Wirte aus den umliegenden Ortschaften Herlazhofen, Wuchzenhofen, Adrazhofen, Allmishofen und Haselburg ihr Bier aus Urlau beziehen.
Im Jahr 1823 bewirtschaften seine Nachfahren die Gastwirtschaft. Die Witwe von Franz Josef Müller führt die Gastwirtschaft, die in guter Lage und sehr geräumig gewesen sein soll, der Betrieb jedoch sei gering. Sie braut 60 Eimer Bier und brennt 2 Eimer Branntwein. Darüber hinaus ist bekannt, dass sie das Handwerk des Brotbäckers ausübt. Zwei Jahre Später übergibt sie ihr Gut an ihren jüngsten Sohn Martin Müller. In den Unterlagen zur Übergabe wird von einem neu gebauten und vollständig eingerichtetem Gasthaus mit 14 Betten gesprochen.
In der Nacht zum 14. Dezember 1843 wird von einem vor dem Hof von Martin Müller stehenden Wagen eines Fuhrmanns ein Malter Korn entwendet, was in etwa der Menge eines Mahlgangs entspricht. Im darauf folgenden Jahr stirbt Martin Müller mit 48 Jahren, seine Witwe stirbt ein Jahr später.
Durch Bevollmächtigte der Erben kommt der stattliche Hof im Jahr 1849 zum Preis von 17.100 Gulden zum Verkauf an Benedikt Albrecht. Verkauft werden neben den Hofgebäuden, dem Gasthaus, der Brauerei samt Branntweinbrennerei auch Stallungen für 40 bis 50 Stück Hornvieh sowie 30 Pferde. Darüber hinaus werden Ackerflächen, Wiesen, Waldungen und Torfgründe sowie Fahrzeuge verkauft.
Benedikt Albrecht erweitert die Brauerei in den Folgejahren um einem Sommerkeller im Urlauer Berg. Er gewinnt mit seiner Landwirtschaft Preise für Zuchtstiere, Zuchtstuten und Bienenzucht auf den landwirtschaftlichen Festen in Wurzach und Leutkirch und wird 1856 schließlich selbst Preisrichter für Fohlen.
Ab dem Jahr 1857 bietet der Wirt Albrecht Kegelschieben auf dem freien Platz seines Gasthauses an. Gekegelt werden kann täglich, mit Ausnahme während des Gottesdienstes am Sonntag.
Durch Hochzeit mit seiner Tochter Cäcilia Albrecht wird ab 1862 Georg Breins Wirt des Gasthof zur Sonne. 1864 wird eine neue Braupfanne angeschafft. Es finden in der Sonne Theatervorführungen, Tanzveranstaltungen, musikalische Veranstaltungen sowie Vorträge statt. Ab dem Jahr 1873 findet in der Sonne, zwischenzeitlich ist Xaver Gosner Wirt, ein Gansschießen statt. Es wird mit Schrot auf eine blecherne Taube geschossen, Hinterlader sind im Wettbewerb zugelassen. Der Gewinner erhält eine Gans zum Preis.
1872 wird zwischen Brauerei und Ökonomiegebäude ein zweistöckiges Wohnhaus gebaut welches allgemein „Schlössle“ genannt wird. Es ist unterkellert und unterirdisch mit der Brauerei verbunden.
Ab dem Jahr 1884 wird in der Brauerei zur Sonnen Weißbierhefe gebraut. 1887 verstirbt Braumeister Georg Breins, seine Witwe führt fortan die Geschäfte weiter. Sie heiratet ein Jahr später den Braumeister Magnus Wiedemann. Unter Magnus Wiedemann erfolgen nun einige Umbaumaßnahmen an der Brauerei. Die Fassremise wird vergrößert, ein Eiskeller wird eingebaut ein Kamin wird erneuert. Im Jahr 1904 wird schließlich, weiterhin unter Magnus Wiedemann, ein neues Brauerei-Gebäude samt Keller an gleicher Stelle errichtet. Der Bau hat Bestand bis heute.
Im Jahr 1923 während der Inflation kostete 1 Liter helles Fassbier aus der Brauerei Wiedemann 2.300M, dunkles Lagerbier gar 3.000M. Eine Flasche helles Lagerbier mit 0,7l kostete 2.200M. Das Flaschenpfand betrug zu dieser Zeit 2.000M je Flasche. Unter der Führung von Alfons Wiedemann wird im Jahr darauf die Brauereianlage vergrößert sowie das Ökonomiegebäude abgebrochen und neu errichtet. Nur vier Jahre später, im Jahr 1928, wird in der Brauerei der letzte Sud gebraut.
Im Jahr 1929 kommt es zu einem folgenschweren Ereignis, dem Mord von Urlau. Am Palmsonntag früh um halb Drei wird die Frau von Braumeister Alfons Wiedemann im Bett erschossen aufgefunden. Er wird daraufhin 1930 als höchstwahrscheinlicher Täter zum Tode verurteilt, jedoch begnadigt und nach dem Krieg aus der Haft entlassen.
Durch die Inhaftierung von Alfons Wiedemann kommt es 1932 zum Verkauf des Anwesens an Georg Summer und Robert Reich. Beide sind Betreiber der Hochland Käsewerke in Heimenkirch. Sie planen in der Brauerei Käse zu lagern, die Gastwirtschaft und der Ökonomieteil werden verpachtet. Ab 1934 trägt das Ensemble den Namen „Zum Hochlandhof“. In den Folgejahren wird das Brauereigebäude für die neue Verwendung umgebaut. 1937 werden im Erdgeschoss zwei neue Käselager mit Kühlanlage eingebaut. Hierzu werden eine Wand und eine Zwischeneben entfernt, die Außenwände werden mit Kork isoliert. Die Baukosten betrugen 4000 RM.
1941 wurde der Einbau einer Heizung auf Warmwasserbasis geplant, da an dem gelagerten Käse Kälteschäden drohten und provisorisch aufgestellte Öfen durch den Ausstichbeamten des Milchwirtschaftsverbandes als mangelhaft erklärt wurden. Die Heizung sollte im Untergeschoss des Schlössle eingebaut werden und von hieraus mehrere Gebäude des Hochland-Hof versorgen.
Nach über einjähriger Planungsphase, geprägt durch Überlegungen zur Materialrationierung währen der Kriegszeiten, wird im Sommer 1942 die Baugenehmigung beurkundet, ein Nachweis über die Umsetzung besteht jedoch nicht sodass die tatsächliche Umsetzung im Unklaren bleibt.
Ab 1956 wird über den Bau einer Kläranlage für die Abwässer aus der alten Brauerei gesprochen. Aus den hierzu vorhandenen Unterlagen geht hervor, dass zwischenzeitlich in Urlau auch Molkereiprodukte hergestellt werden, das Gebäude wird als Käserei und nicht mehr als Brauerei bezeichnet. Gesprochen wird über die Herstellung von Butter und Weichkäse bei einem Milchumsatz von 70.000 Liter je Jahr.
Im Sommer 1960 bricht der Schriftverkehr zu dem Vorhaben ab, es geht aus den Unterlagen nicht hervor ob eine Anlage zur Abwasserreinigung gebaut wurde oder davon Abstand genommen wurde.
Ab Ende der 1950er Jahre erfolgt der Verkauf von Gastwirtschaft und Ökonomie, der Besitz des Hochlandhof verteilt sich von nun an auf mehrere Personen. Der unterirdische Gang zum Schlössle wird auf Seite der alten Brauerei zugemauert. 1964 wird das ehemalige Gasthaus zu Appartements umgebaut, der Ökonomieteil wird ebenso mehrfach umgebaut und besteht bis heute.
1984 verkauft Hochland das ehemalige Brauereigebäude. Es folgen diverse Folgenutzungen als Produktionsstätte und Lagerhaus sowie teilweise zu Wohnzwecken. Zuletzt nutzte ein Sammler und Händler alter Bücher die alte Brauerei als Wohn- und Lagerhaus. Er trug mehrere zehntausend Bücher und Zeitschriften in dem Haus zusammen, welche über seinen Tod hinaus in dem Gebäude verblieben sind.
2002 brannte das in der Mitte des Ensemble gelegene Wohnhaus, das sogenannte Schlössle, ab und wurde nicht neu errichtet.
Ab 2017 entstand die Idee, die alte Brauerei in Urlau in Form einer Genossenschaft als Bürger- und Heimatprojekt Allgäuer Genussmanufaktur wieder zu beleben. Am 20.4.2018 erfolgte die Gründung der Genossenschaft in der Urlauer Dorfhalle, über 800 Genossen und Genossinnen sind beteiligt.
Nach einer intensiven Umbau- und Modernisierungsphase erstrahlt das Gebäude wieder in neuem Glanz und am 31. August 2019 eröffnete die Allgäuer Genussmanufaktur ihre Türen. Die offizielle Eröffnung wird am 20.09.2019 gefeiert.
90 Jahre nach dem letzten Sud wird in dem alten Gebäude wieder gebraut. Es wird wieder gebacken, gebrannt und Käse gelagert.
Darüber hinaus wird nun auch Kaffee geröstet und verschiedenen Kunsthandwerken nachgegangen.